Wir sitzen auf ihrem Bett und spielen Phase 10. Auf ihrem Bett, in ihrem Zimmer, das ihr Kinderzimmer war, dann ihr Jugendzimmer und nun ist es ein Gästezimmer für sie selbst. Sie kommt zu Besuch und schläft hier über das Wochenende oder für drei Monate.
Ich spüre ihre Freude am Spiel, sie lächelt und wackelt mit den Augenbrauen. Sie zwinkert mir zu und legt eine Karte ab. Ich spüre meine Wut, sie sitzt in der Mitte meines Körpers und walzt sich nach oben. Noch hat sie meinen Mund nicht erreicht, aber geöffnet steht er bereit. Meine Schultern werden warm, meine Hände, meine Wangen, meine Ohren. Eine Falte über der Nasenwurzel.
„Du fieses Ding.“
Sie lacht und schnipst in die Luft.
„Ich spiele nie wieder mit dir.“
Ich liebe sie, wenn sie gewinnt. Sie freut sich so lange, bis es kaum noch zu ertragen ist. Sie gibt uns eine Pizza aus, ich hole Wein aus meinem Rucksack. Morgen reist sie wieder ab. Wir unterhalten uns über Gespenster, geben uns um halb drei einen Abschiedskuss und warten auf die Zeit im Winter.
Text von Jess Tartas, 2020 ausgestellt auf dem Comicfestival Hamburg