Als ich ein kleines Kind war, bekam ich ein Tagebuch geschenkt. Pro Tag nahm ich mir eine ganze Seite, egal, wie viel oder wenig ich schrieb. Ich grüßte das Tagebuch bei jedem neuen Eintrag, schrieb einen Satz zum Tag, malte etwas dazu und verabschiedete mich wieder.
Meine Oma sah ich viel schreiben. Sie komponierte als Musikerin Lieder für Klavier und Chor, schrieb Noten, Briefe, Konzertprogramme. Sie tat das handschriftlich auf verschiedenen Papieren. Großes und kleines Notenpapier, stark und robust, so dass wiederholt darauf radiert werden konnte. Sie notierte in Heften und Mappen. Überall im Haus lagen kleine Stapel Notizpapier für schnelle Gedanken. Formelle Briefe schrieb sie dann auf der Schreibmaschine. Später, aber wohl mehr zum Spaß an der Abwechslung, auch mal am Computer. Nun wird mir bewusst, während ich das hier schreibe (übrigens zunächst auch handschriftlich), dass ich wohl ganz ähnlich bin. Es gibt fast keinen Raum, in dem nicht irgendwo etwas Papier herumliegt und daneben mehrere Stifte, falls mal einer verlegt wird.
Das Schreiben auf Papier und mit der Hand ist sehr unmittelbar. Ich spüre, wohin es mich gedanklich zieht oder wie dringend es ist, etwas zu notieren. Rasch und eilig geschriebene Gedanken zu einer Figur lesen sich anders, als notwendig notierte Daten zu einem Ort. Meine Handschrift verrät dabei etwas über meinen Zustand während des Schreibens. Das kann die fertige Schrift am Computer nicht leisten.
Es gibt aber auch Geschichten, die ich gleich am Computer schreibe. Meine Mitlesegeschichten für Benjamin Blümchen entstehen zunächst in meinen Gedanken. Dann feile ich bei einem Spaziergang im Gespräch an ihnen und schreibe sie schließlich direkt am Computer auf. Die verlässliche Form der Schrift und Seitenränder hilft mir dabei, die Vorgaben des Magazins einzuhalten.
Und dann schreibe ich derzeit an diesem Kinderroman, der auch am Computer entsteht. Hier verändere ich viel am bestehenden Manuskript, stelle Sätze um, füge hier und da ein neues Wort ein. Die Arbeit daran ist meistens schön, aber auch sehr ernst.
So kommen mir Computer oft vor, sobald ein Schreibprogramm geöffnet wurde. Ernst und endgültig. Obwohl man ja schnell etwas löschen kann. Aber dann ist es eben weg und ich erinnere mich am Ende gar nicht mehr, weshalb ich einen Satz gelöscht habe. Manchmal ist es angenehm, den Prozess hinter einem Projekt noch erkennen zu können. Und dafür ist das handschriftliche Schreiben gut.
Ich möchte mich nicht zwischen der einen oder der anderen Form entscheiden müssen, sondern sie nach Anlass nutzen. Der Computer ist formeller und nicht ganz so verspielt, weich und nett wie es eine Kladde ist, die mitlebt, sich verbiegt, an den Ecken knickt und am Ende ganz zerzaust aussieht. Der Computer ist gut, um die Texte zu erledigen, sie zu bearbeiten, mit Seitenzahlen und Deckblättern zu versehen und sie schließlich abzusenden. Meine handschriftlichen Notizen, die sind eher noch für mich, nah dran und im Regal verstaut. Jetzt in diesem Moment, während ich diesen Eintrag aus meinem Morgenseitenbuch in das Schreibprogramm übertrage, bin ich umgeben von halb und total gefüllten Notizbüchern und erinnere mich daran, wie ich das eine oder andere aussuchte, mir genau überlegte, ob es zu der Zeit passt, die ich gerade erlebe. Ich mag es, wie bunt die Buchrücken dann über die Jahre ausgefallen sind, obwohl ich das nie gedacht hätte. Das Schreibprogramm ist immer gleich. Schön, diese Verlässlichkeit. Ich klicke jetzt auf Veröffentlichen.