Vom Schweigen und Fallen,
von Stille und Schnee.
Mein liebes Gespenst,
komm mit, wir springen über den Rand des Tages und sehen nach, wo die Stille herkommt. Wo sie sich aufhält, wenn sie an ihre Schatten denkt. Und dann setzen wir uns dazu.
Musstest du je schweigen?
Seit nunmehr drei Wochen war es still im Wald und in der Wohnung. Kein Wort hat meine Lippen passiert. Jedes weltvergessene Summen wurde mit einem inwendigen Steinschlag bestraft.
Meine Saiten sind entzündet, die Atmung portioniert. Natürliche Verknappung.
Aber nicht mein Schreiben, nicht dieser Brief, nicht der Hunger, den ich habe, sind aus. Wenn wir nicht sprechen können, dann brauchen wir Menschen, die zuhören können. Sprache ist viel mehr als eine Stimme.
Als es zu schneien begann, war das Zimmer, in dem wir Bilder malen und schlafen, zugedeckt und dunkel. Meine Ohren, ohnehin taub, waren in guter Gesellschaft, als die kleine Welt verpackt dalag. Es war der erste Tag nach einigen, an dem ich lachen konnte und rauswollte. Das Fenster ließ sich nur schwer öffnen, eine Lawine wurde losgetreten, Krähen riefen um Hilfe. Der Schwall an kalter Luft berührte meine Augen, meine Zähne, meine Zunge. Alles sah so anders und bekannt aus. Es gibt nichts auf der Welt, das mich schneller gern aufstehen lässt, als Schnee. Schade, dass es nur noch so selten schneit. Stehst du gerne auf?
Auf dem Weg in den Wald sah ich die umgestürzten Bäume schon von weitem. Die Pfade waren von dicht bewachsenen Ästen der Tannen versperrt, am Feld rutschte ich vom kleinen Hang ab und landete auf den Knien. Es war ein großartiges Gefühl und ein leises, mir fremdes Geräusch presste sich durch meine geflochtenen Stimmbänder. Ein Lachen.
Wann habe ich das letzte Mal so richtig gelacht? Und du?
Es ist diese Zeit, von der ich nicht mehr genau weiß, welcher Tag es war, weil ich keinen besonderen Tag zum Gedenken brauche, denn ich denke immerzu an dich. Und ich bin immer sehr dankbar dafür, wenn mich andere nicht daran erinnern und dann irgendwas erwarten. Blumen und ein Seufzen.
Es ist Freitag, ich bin in Liebe. Heute früh schimmerte meine Stimme kurz hindurch, ich begegnete mir selbst dabei und war erfreut. Hallo, guten Morgen, angenehm. Ich weiß, ich muss noch eine Weile schweigen und die Menschen müssen damit klarkommen, dass ich sie ansehe, nicke, mit den Augen lächle – Tyra Banks hat mir das Smizing früh genug beigebracht, als ich noch formbar war – und einige können das gut verstehen, andere wiederum beginnen zu schreien und wählen Begriffe, die ich in Unterhaltungen mit Dreijährigen nutze.
Heute bin ich also 40% Stille, 40% Sonne und 20% Text. Und du?
Dieser Artikel ist zuerst als Gespensterbrief auf Steady erschienen.